Montag, 4. Februar 2008

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Morgens um viertel vor sechs schrillt ein telefonischer Weckruf, den wohl ein anderer bestellt hat. Wenn der sich nun verschläft, hat er auch nicht viel verpasst. Es hat die ganze Nacht geregnet und immer noch hängen die Wolken tief über die Berge und in die Täler hinein. Immer noch keine Spur von Gletschersicht. Allerdings macht es den Anschein, als ob sich die Sonne dahinter mächtig Mühe geben würde. Bis wir um neun auschecken, nachdem diesmal ausnahmsweise Brechfest im Hotelpreis inbegriffen war und ich bei Rührei und Speck mächtig zugeschlagen habe, sieht man doch bereits die Spitzen der Berge hinter dem kleinen Dörfchen und breite Streifen leuchten blau am Himmel. Nur die Täler sind noch mit weissem Nebel ausgefüllt und verdecken, sollten sie sich dort darunter befinden, die Gletscher.
Nebel winden sich auch den Bergen und Hügeln entlang, welche wir die nächsten 25 km wieder durch ein Teilstück des Westland Nationalparks auf einer Urwaldstrasse zurücklegen. Franz Josef Glacier ist etwa wie Fox Glacier, ein kleiner Ort als Ausgangspunkt zu Gletscher Rundflügen und Exkursionen in den Nationalpark. Einen kurzen Moment sehe ich einen Teil einer Gletscherzunge. Stop! Gerade sind wir doch an einem braunen Wegweiser vorbeigefahren, welcher 4 km bis dorthin angezeigt hat.

Morgen in Fox Glacier der Vorhang hebt sich - St.Josef Gletscher
Urwaldweg zum Sentinel Rock Wassser von überall

Nach diesem kurzen, ungeteerten Wegstück, welches heute wenigstens nicht staubt, kommt man zu einem Parkplatz, von wo ein zehnminütiger Fussweg zum Sentinel Rock Glacier View führt. Durch einen tropfenden, dampfenden, moosigen Urwaldweg erklimmen wir eine Felsinsel, welche dem Fluss der einstigen Eismassen widerstanden hat und von wo man das Gletschertor und das Gletscherwasser, welches sich daraus in eine kiesige Ebene ergiesst, überblicken kann. Das Erstaunliche daran ist, dass man sich hier in einer Höhe von nur etwa 300 müM befindet. Der Deckel hat sich jetzt gerade so weit gehoben, dass man die ganze von hier aus überschaubare, leicht türkisfarbig schimmernde, steile Zunge des Gletschers sehen kann.
Auf einer Bildtafel wird gezeigt, wie frappant das Wachstums und auch Schwinden des Gletschers in den letzen 150 Jahren von hier aus festzustellen war. Noch 1865 war das ganze Tal bis über den Sentinel mit Eis ausgefüllt, während man im Jahre 1974 nicht mal die Zungenspitze von hier aus sehen konnte.
Die kurze Distanz reizt uns, unten dem Fluss- und Kiesbett entlang, diesem grossen Gletschertor noch näher zu kommen.
Irgendwo werden auch Führungen angeboten, dann marschiert man in Einheitsoveralls in einer grossen Gruppe bis dort, oder eventuell auch noch auf den Gletscher, was mir aber bei diesen zerklüfteten Furchen wegen seiner Steilheit eher unwahrscheinlich scheint. Überall sind Warntafeln vor Stein- und Eisschlag oder Flutwellen, so dass man fast ein schlechtes Gewissen hat, auf eigene Faust diesen Pfad über den steinigen Rand des Flussbettes zu nehmen. Bald ist René mit seiner Kamera ziemlich nahe am Fluss und ich habe Angst., dass er sich hoffentlich nicht zu nahe ans Gletschertor wagt. Es beginnt wieder ganz fein zu nieseln. Jetzt kann ich nicht mehr länger auf ihn warten, denn mich zwingt etwas anderes, den Rückweg anzutreten. Obwohl der Weg durch Urwaldgebüsch führt, getraue ich mich trotzdem nicht, den Weg zu verlassen, ich könnte zuwenig tief eindringen und es begegnen mir doch immer wieder Leute. Ich habe schon ab und an in einem Naturschutzgebiet in einem fest verankerten Pfosten eine Kasse gesehen, welche um einen Obolus für den Unterhalt von Convenience Areas bittet. Und ich nehme mir fest vor, bei nächster Gelegenheit dort etwas zu opfern, denn ich erreiche in allerletzter Minute das Männlein/Weiblein beim Parkplatz. Es sind immer relativ saubere, chemische Anlagen, welche gewartet und geleert werden müssen.

Whataroa - Cafétime Regen und Montbretien begleiten uns vom ewigen Wind multifunktionale One Lane Brücke

Weiter geht's, wir haben heute 275 Kilometer zu bewältigen. In Whataroa wird nochmals ein Stopp gerissen, weil wir Tip-Top gesehen haben. Es hat sogar Pure Passion in diesem Laden-Post-Café-Kiosk. Whataroa wäre bekannt für sein Vogelschutzgebiet für den weissen Reiher. Ein idealer Ort bei diesen unzähligen, kiesigen Wasserläufen, welche die aufgeschwemmten Ebenen zwischen Bergen und Meer durchfliessen. Am Ende der Ebene sind wieder Schlangen auf den Warntafeln. Das heisst, dass über den Herkulespass eine kurvenreiche Strecke führt. Einer hat den Hinweis in einer 25er Kurve ignoriert und nun ist man dran, sein Auto mit einer Seilwinde aus der Tiefe eines Abgrundes zu bergen.

wieder ganz am Meer entlang es wird freundlicher Montbretien malerische Inselchen

Dann wechselt es wieder in eine Geradeaus-Strasse, die sich am Horizont im Regen auflöst. Irgendwann müssen ja die sieben Meter Regen fallen. So könnte man wohl als Glückspilz gelten, wenn man hier schönes Wetter hätte.

Bluffs Crayfish gang rüef de Gschäggete Panecacerocks

Regen und trübes Wetter ist heute unser steter Begleiter. Weite Strecken sind Regenwald, also passt es doch. Wenigstens bringen die wilden Montbretien, die überall den Strassenrand zieren, feurig orange Farbtupfer ins langweilige Grau. Es ist eine Lilienart, die wie Minigladiolen aussehen. Einmal sind sie sogar mit richtigen Feuerlilien gemischt.
Je weiter nördlich wir kommen, desto mehr bessert sich auch das Wetter. Vielleicht auch, weil nun die Südalpen hinter uns liegen. Die Strasse führt nun schon lange alles dem Meer entlang. Ein feiner Nebelstaub zieht sich vom Meer her über das Küstengebiet. Die Bäume zeigen wieder wie Windfahnen landeinwärts und wir kommen zu Twelve-, Fourteen- und Seventeen-Mile-Bluff. Immer sind dies Felsnasen, um welche die Strasse herumführt und die Wellen brechen sich an heruntergestürzten Felsbrocken oder malerischen Inselchen. An einem Outlook macht uns ein Tourist, welcher in der Gegenrichtung unterwegs ist, auf einen Felsbogen aufmerksam, welcher nur etwa 50 Meter vom Parkplatz entfernt und auch nur genau von dort zu sehen ist. Es ist auch so ein herabgestürztes Felsinselchen mit einem grossen Loch mitten hindurch.

Nikau Palme und Cabbage Tree Blowhole Wellen- und... ...Stein-Faszination

Endlich erreichen wir Punakaiki, die steinernen Pfannkuchenformationen. Wie in den Bluffs vorhin, umspült das Meer auch hier eine grosse Felsnase und der Zahn der Zeit, zusammen mit Brandung und Wetter haben die faszinierendsten Formen aus den horizontal fein geschichteten Kalksteinlagen genagt und ausgewaschen. Von Höhlen und Löchern durchsetzt, schwappt das Meerwasser durch unterirdische Gänge und spritzt bei Flut manchmal hohe Fontänen durch Kamine aus den sogenannten 'Blowholes'. Wie bei den Moeraki Boulders, wo die Felskugeln aus dem Berg kullern, ist auch diese Art Gestein hier nur auf einen kleinen Umkreis begrenzt und man weiss nicht genau, wie diese speziellen Schichtungen entstanden sind. Ein 300 Quadratkilometer grosser Nationalpark umfasst hier ausser den Pancake Rocks auch noch ein grosses Karstgebiet mit vielen Höhlen. In den mit Urwald bewachsenen Hügeln entdecke ich da ausserdem zum erstenmal die endemische Nikau-Palme, richtige Besenbäume. Wie Korallen sehen ihre Blüten aus, dort wo der Stil im Besen steckt.

gerade erwischt 'unser' Urwald
Spuren im Sand der Zahn der Zeit nagt

Der Weg führt zuerst durch einen dichten Bestand von gut drei Meter hohem Neuseeland-Flax, mit sicher fünfmetrigen Blütenrispen, Cabbage-Trees und eben Nikau-Palmen. Dank den Informationstafeln weiss ich nun, wie diese Bäume und Pflanzen heissen und man hat sogar gute Möglichkeiten für Nahaufnahmen. Wie viele Fotos hier von den Steinen dazukommen, wage ich gar nicht zu erzählen. Es packt mich wieder, wie seinerzeit im Brice Canyon.
Unser Hotel müssen wir heute wieder suchen. Kein Wunder, sind wir bereits daran vorbeigefahren, die Cottages sind richtig im Urwald versteckt, einen halben Kilometer vor den Pfannkuchenfelsen. Die Frau von der Rezeption des Hydrangea Motels zeigt uns das grosszügige Zwei-Zimmer-Logis mit Küche, Bad, Terrasse und Blick vom Bett aus über ein Farnpalmendach bis zum nahen Meer. Es ist wieder eine Alternativ-Unterkunft zum gedruckten Programm. Verpflegungsmöglichkeiten gibt es zwei, nämlich im Hotel welches eben ausgebucht war, 100 Meter weiter und ein Restaurant in der nächsten Bucht.
Inzwischen ist nun sogar der Himmel blau geworden und ich kann auf dem Balkon meine noch nicht trocken gewordene Wäsche in der Abendsonne nochmals aufhängen. Die Zikaden ringsum im Wald machen einen Saukrach und schwirren einem regelrecht um die Ohren. Solange nun noch so schönes Licht ist, machen wir uns auf an die Bucht. Diese ist auf beiden Seiten mit solch interessanten Omelettentürmen begrenzt und das Meer bringt mächtig rauschende Wogen daher, welche hier unten an einer ganz weissen solchen Riffelklippe arbeiten und nagen.

Abendspaziergang... ...in der Pfannkuchen-Bucht Schwemmgut Sunset

Auch wir möchten endlich mal was zwischen die Zähne, im gediegenen Hotelrestaurant haben wir jedoch kein Glück. Da gibt's erst um halb neun wieder Platz. Also holen wir das Auto und fahren halt zur Taverne in die nächste Bucht. Dort ist es auch viel urtümlicher und gemütlich. Es gibt Frühlingsrollen, Pommes und für mich Ribeys.
Gesättigt und zufrieden verlassen wir das Lokal und schaffen es gerade, uns auf den Steinen draussen am Ufer einen Logenplatz zu sichern. Goldgleissend versinkt eben die Sonne aus einem inzwischen wolkenlosen Himmel weit draussen im Meer.
Die Zikaden daheim sind verstummt und wider Erwarten können wir ohne Ohrenstöpsel eine sternenklare Nacht mitsamt Meeresrauschen vom Bett aus geniessen.

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Montag, 4. Februar 2008