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Heute heisst es also Abschied nehmen von Landarenca, dem tessinerischen
Bündnerdörfchen, in welches wir uns alle verliebt haben. Es muss uns
wieder aufs halbneun-Uhr Postauto reichen. In der Bedienung mit der Seilbahn sind
wir nun alle Profi. Wir schaffen es jetzt problemlos, die Karte für Herr
Keller in Grössenordnung auf den Anfangssaldo aufzuladen. Anschliessend sollen
wir diese im Kästchen nach dem Gitter deponieren. Eigentlich ist dies eher
eine Kommode, und jedermann hätte Zugriff. Es scheint, dass wir uns hier
wirklich von einem Stück heiler Welt verabschieden, in welcher man den
Mitmenschen noch trauen kann.
Margrit wird nun doch heute abbrechen. Ihr Handgelenk hat sie in der Nacht nicht
gut schlafen lassen. Sie wird in Chur zu ihrer Tochter und dort zum Arzt gehen. Es
scheint wirklich etwas gebrochen zu sein. In Esthers Fahrplan war die Heimreise
sowieso für heute vorgesehen. Obwohl ihr in den letzten vierzehn Tagen ein
Fersensporn zu schaffen machen will, hat sie die Wanderungen mit uns genossen. Ihr
gefällt die Reise mit dem Postauto durchs Misox so gut, dass sie den
Entschluss fasst, mit dem gleichen Chauffeur von Thusis aus wieder zurück bis
Bellinzona zu fahren und auf diese Weise ihre heute eingesetzte Tageskarte
auszunützen.
Um halb elf trudeln wir schon mit Sack und Pack bei unserer heutigen
Schlummermutter in der Capanna Genziana, beim Campingplatz in San Bernardino ein.
Im leicht müffeligen Untergeschoss können wir bereits Kantonnement
beziehen. Wenigstens haben wir genügend Platz und können immer zu zweit
ein Zimmer belegen. Alles Unnötige lassen wir hier, nur die
Mittagsverpflegung kommt in den Rucksack und schon sind wir wieder unterwegs.
Verlassen und leer ist der Parkplatz der Seilbahn, zerstört die Hoffnung auf
einen mühelosen Aufstieg. Hier werden nur die Wintergäste verwöhnt.
Als erstes werden wir alle miteinander ein schönes Picknickplätzchen
suchen und erst mal Mittagsrast halten. Dann kann, wer will, sich die einfachere
Tour rund um den Lago d'Isola vornehmen, oder aber mit den andern den Weg durch den
Wald hinauf Richtung Passit aufsteigen. See tönt eigentlich gut für mich.
Der Pass di Passit kommt mir heute schrecklich hoch vor.
Beim Wegweiser allerdings bin ich eher überrascht. Nur 1 ½ Stunden bis zum Pass, das könnte man sich vielleicht schon noch überlegen. Vor allem, weil die Abzweigung für den Rückweg nicht ganz auf den Pass führt. Ich habe heute wieder einen Nein-Tag. Bei der Ankunft in dem müffeligen Schlag hat etwas in mir gesagt, dass es jetzt wirklich das letzte Mal sei. Diese Plage, den ganzen Tag den Rucksack buckeln - Nein! Und jetzt bei dieser Hitze soweit hinauf steissen - Nein! Von irgendwo höre ich das Stichwort "lädele" für jene, welche die leichtere Tour machen wollen. Solche Aussichten übertönt nun aber ein entschiedenes Nein und ich schliesse mich nach der Rast den Aufsteigern an.
Eigentlich ist es ein schöner und gar nicht mühevoller Weg, so über den weichen Waldboden. Bald schon haben wir die Waldgrenze erreicht und der Weg führt auf einem hölzernen Steg über den tosenden Ri de Confin, wo Knud Hans einmal mehr zu einer Schwalbenvorführung herausfordern kann. Bereits haben wir auch schon die Abzweigung, welche wir für unseren Rückweg nehmen wollen, erreicht. Bis zum Pass ist es jetzt ja wirklich nur noch ein Katzensprung und nichts in mir wehrt sich mehr dagegen, auch hier noch mitzuhalten.
Dabei weiss ich ja ganz genau, dass ich mich hinterher noch ewig geärgert hätte, wäre ich nicht mitgegangen. Die wunderschöne Lage der spiegelnden Seeen und Rosskopftümpel, die Enziane, Leimkrautpolster oder gar der verträumte, sprudelnde Quell, welcher sein Wasser unter einem Stein hervor zuerst über hellgrünes Moos in seinem Bachbett auf die Reise schickt, besänftigen mein stachliges Gemüt mehr als nur.
Zufrieden und müde lasse ich mir im Genziana nach einer erfrischenden Dusche
in der spartanischen Raucher-Ecke draussen vor dem Restaurant heute ein grosses
Panaché schmecken.
Um halb sieben gibt's Nachtessen. Zuerst mal eine guuute Minestrone, so was
lässt man sich nach einem Wandertag immer gern gefallen, schon wegen dem
Salzhaushalt. Ich halte jedenfalls meinen Teller zweimal hin. Darauf folgt eine
Salatportion, und für Hans und Ruth die vegetarische Spezial-Ration von
fleisch- und milchproduktlosem Gemüse. Mit einem halben Dutzend grosser
Kartoffeln, Blumenkohl und Rüebli hoch aufgetürmt, dazu noch ein
Riesenberg gedämpfter Reis, würde das Ganze für uns alle reichen.
Aber für uns gibt's drei grossen Platten mit feinen Butternudeln mit
Hackfleischtomatensosse. Verglichen mit der Zweierportion für Hans und Ruth
scheint mir allerdings die Sauce Bolognaise eher etwas bescheiden für uns
alle. Aber gemessen an der Zeche von 48 Franken für Nachtessen,
Übernachtung und Frühstück kann man trotzdem nicht viel sagen. Das
meinen wir jedenfalls nur solange, bis der Rest der Nudeln wieder abgetragen wird
und dafür eine Riesenplatte, hoch aufgetürmt mit Pommes, drei Platten
mit Ratatouille und ein herrlicher Braten aufgefahren wird. Und ich habe mir schon
mit Suppe und Nudeln den Bauch vollgeschlagen!!! Aber als gestandene Gurmande kann
ich das doch nicht an mir vorbeigehen lassen. Nur den Gorgonzola am Schluss schaffe
ich nicht mehr. Dafür muss heute ein Grappa her.
Nur noch ein kleiner Verdauungsspaziergang der San Bernardinostrasse entlang, wo
man hinüber auf das Gebiet sieht, wo wir morgen den Wanderweg nehmen wollen.
Sportbegeisterte haben heute endlich mal die Gelegenheit einen Euro 08-Match, es
ist der Halbfinal Deutschland gegen die Türkei, mitzuverfolgen. Ich gehe
lieber am "Chüssi go lose". Dabei habe ich noch etwas mehr Glück als zum
Beispiel Vreni und Hans. Die werden von ihrer Matratze die ganze Nacht
malträtiert, als ob sie auf einem Eisengitter schlafen würden.
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