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Heute gilt's ernst. Mutig machen wir uns nach einem stärkenden Frühstück auf den Weg. Ohne Hanspeter, der will sich den Aufstieg von 1291 Metern nicht antun und verlässt uns schon wieder, um im Appenzellischen nachzuschauen, ob die Wanderprofile der Frauen moderater ausgefallen sind.
Eine Karawane von zehn buckligen Lasteseln verlässt Pont de Nant und seinen Alpenblumengarten, wo wir eine angenehme Herberge gefunden haben. Pascal hat mit seiner Handwaage alle Rucksäcke gewogen und die meisten haben es geschafft, sogar mit dem Marschtee unter zehn Kilo zu bleiben. Annigna ist einsame Spitze mit etwas über sechs Kilo.
Noch ein halbes Stündchen begleitet uns auch Katrin zusammen mit Ria durch das Wäldchen dem Fuss des Grand Muveran und dem Fluss entlang in Richtung Col des Perris Blancs, bis auch sie uns verlässt und sich zusammen mit Hanspeter dann in Richtung Postauto nach Bex abmeldet, denn ihr sind dieses Jahr berufliche Verpflichtungen in die Quere gekommen und für Ria gäbe es in den SAC-Hütten wohl ein Unterkunftsproblem.

Gewichtskontrolle Adé der Morgen erstrahlt Hindernisse fast himmelwärts

Während die Sonne hoch über uns am Grand Muveran die bizarre Silhouette der gezackten Felsen blankfegt, kommen wir hier unten am angenehmen Schatten mit abenteuerlichen Flussüberquerungen bis weit nach hinten ins Tal, wo dann unser Aufstieg erst recht beginnt. Immer begleitet uns auf unserem Weg das Grün von Gras und die Vielfalt all der Farben der wunderbaren Alpenblumen und schon bald sitzen wir inmitten von Enzianen, Alpenveilchen und Gletscherhahnenfuss beim gemütlichen Picknick. Jetzt haben wir schon eine Höhe von 2166 Metern erreicht. Nebelschwaden kommen und gehen über die gezackten Kämme der Dents de Morcles und Muverans und von hier aus kann man nun sogar einen Teil des Martinets Gletschers hinter einer langen Moräne sehen. Eindrücklich erheben sich darüber die senkrechten Felswände mit ihren gefalteten Gesteinsformationen des Tête Noire. Beim Weiteraufstieg über ein grosses Trümmelrfeld und auch noch liegengebliebenen Schnee, der sich anfühlt, als ob man über einen Gletscher wandern würde, hebt sich die Nebeldecke über uns immer ein klein bisschen und wir finden unseren Weg gerade knapp unterhalb der Wolken, immer noch steil und noch steiler hinauf bis zum Übergang, dem Col des Perris Blancs.

geschmücktes stengelloses Leimkraut Felsbilder wie auf einem Gletscher in Felsrinnen Aussicht bis zum Genfersee

Wir haben's geschafft! Eigentlich war es gar nicht so schlimm, wie ich das befürchtet habe und weswegen ich bereits den ganzen Juli und noch mehr auf der Finnenbahn in Münchenstein etwas Kondition aufgebaut habe.
Das Bilderbuch öffnet eine neue Seite mit wunderbarem Blick bis weit zum Genfersee und hinüber zu den beiden Hörnern über Leysin, die Tour d'Aï und Tour de Mayen, welche ich letztes Jahr Herbert aufgesetzt habe. Der Blick zurück ist eher noch trüb und die Nebel walzen immer noch über die Muverans hin und her und gegen den Kessel hinunter, aus dem wir aufgestiegen sind. Wie Kanonendonner tönt es von der zerquetschten Felswand über dem Martinets Gletscher bis zu uns herauf. Wir sind gerade Zeugen eines Felssturzes dort gegenüber, aber bis der Ton bis zu uns gedrungen ist, sehen wir nur noch einzelne Felsbrocken auf dem Gletscher hinunter rollen und eine Staubwolke, welche sich der Wand hinauf davon macht.
Nach einer erholsamen Rast hier noch auf einer blumenübersäten Matte, geht's nun zum Dessert auf der andern Seite auf steinigem Geröllweg noch etwa 350 Höhenmeter hinunter zur Cabane de la Tourche, unserer heutigen Herberge. Die neu aufgebaute Hütte kann man nach den ersten paar Metern unten auf dem Kamm eines langgezogenen, grünen Bergrückens gut sehen, der Weg dorthin aber verliert sich irgendwo in der riesigen Geröllhalde, welche wir nun noch zu überqueren haben. Im Zickzack führt er zuerst steil den Hang hinunter, um dann hinter einer Felsnase zu verschwinden.

auf dem Col des Perris Blans zum Dessert über Geröll auf abenteuerlichen Pfaden Alpen Berufskraut oder Erigeron Alpinus (Gänseblümchenart) durch blühende Matten hinunter...

Abenteuerlich auf schmalem Pfad, hoch über oder direkt unter steilen Felswänden, überqueren wir abermals einen felsigen Steilhang, bis wir hoch über der Hütte wieder eine reich blühende Alpweide erreichen. Nun kann man wieder ausatmen und die Augen über das Gebiet der gegenüberliegenden Dents du Midi schweifen lassen, den Ort des letztjährigen Geschehens.
Das Centre Sportif in Les Jeurs, unser Startpunkt und auch das hübsche Dörfchen Mex, drüben auf dem Bödeli, wo wir am zweitletzten Tag von dem gewaltigen Abstieg müde ankamen, wird jetzt gerade von der Abendsonne noch ins rechte Licht gerückt. In Erinnerung jener erbrachten Leistung und beim Überblicken der Distanzen, bin ich heute gerade nochmals etwas stolz.

...zur Cabane de la Tourche es hat sogar Duvets Pascal und Hans in Erwartung auf Reis die Walliser Viertausender Abendstimmung über dem Rhonetal

Die hier abgebrannte Hütte ist nun seit knapp einem Jahr wieder neu erstanden und wir bekommen zwei freundliche, helle Zimmer mit je 6 Schlafplätzen zugeteilt, sogar mit Duvets. Der hervorragenden Lage mit der grandiosen Aussicht hat man im Aufenthaltsraum Rechnung getragen. Die grosse Fensterfront lässt einen auch während des Nachtessens am Feuerzauber eines Sonnenuntergangs teilhaben. Eine Dusche ist zwar noch nicht in Funktion, wer es nicht glaubt und trotzdem die entsprechende Tür öffnet, dem grinst ein dort deponiertes, stachliges Hirschgeweih entgegen. Waschen kann man sich, allerdings nur mit kaltem Wasser, aber wenigstens im Haus drin und - es gibt Steckdosen, um Handy und Kamera-Akkus aufzuladen!


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