zum vorherigen Tag 2. August 2012 zum nächsten Tag

Es scheint ausgeregnet zu haben und ein neuer, sonniger Tag erwacht. Nochmals am kalten Wasserhahn eine kleine Katzenwäsche und dann bald adé Cabane Rambert, adé Monsieur Planchamp und schon bald sieht man von der Hütte nur noch hoch oben auf dem Felsen das verflixte Plumpsklohäuschen. Der Hüttenwart hat uns empfohlen, nicht den alten Weg hinter dem Haus zu nehmen, weil der schon seit längerer Zeit nicht mehr unterhalten werde. Markiert ist der Weg unten auf dem Übergang, das heisst also, wir mussten zuerst die 80 Höhenmeter hinunter, dort wo wir gestern die allerletzte Verschnaufpause gemacht haben. Hier unten liegen noch letzte Schneereste, über welche der Weg führt und es geht nicht lang, bis wir wieder vom Aufpasser-Steinbock beobachtet werden. Sein Rudel frühstückt gerade hundert Meter weit von unserm Weg entfernt. Natürlich kann auch ich nicht einfach so vorbeigehen und nun habe ich noch mehr Steinbockfotos zur quälenden Auswahl. Dafür haben wir nun die Wegzeichen verloren, denn auch schöne Schneefelder haben zum Schneefahren verlockt.

alle, diemal ohne Eine munter geht's bergab alles wegen den Steinböcken retour geht's die Wegweiser sind leicht zu übersehen

Ein bisschen mehr links haben wir den Wanderweg aber wieder und marschieren munter bergab, bis es Hans nun doch ein bisschen komisch vorkommt. Der Höhenmesser zeigt uns an, dass wir bereits 200 Meter zu tief geraten sind. Pascal kann mit seinem Feldstecher weit oben gerade noch einen gelben Wegweiser ausmachen, bevor er hinter der nächsten Felsbiegung verschwunden wäre. Wir haben den Weg nach Ovrannaz erwischt und zwar erst nach der Abzweigung und sind ihm in der falschen Richtung gefolgt. Von Steinbock- und andern Spuren haben wir uns vom guten Pfad weg ins Verderben führen lassen.
Bald haben wir aber die Abzweigung erreicht und dem Wegweiser, der auf dem Boden auf einem flachen Felsen angebracht und überhaupt nicht weithin sichtbar ist, folgen wir nun in der Richtung, die über den Col de la Forcla und bis nach Derborence zeigt.
Die Überquerung eines breiten Geröllfeldes, sowie die Durchkletterung einer Felsspalte sind nun die nächsten Herausforderungen, dann noch der letzte, kurze Aufstieg und wir haben das Bergaufkeuchen für heute erledigt, auf meinem Profil geht's von der Forcla nun nur noch abwärts. Zuerst aber noch die kleine Spannung auf den letzten Metern bis zum Übergang - wie sieht es auf der andern Seite aus? Ich blättere gerne in diesem Buch der Übergänge.

kraxeln ist angesagt eine neue Seite im Buch der Übergänge wir haben den Col de la Forcla geschafft Schnee oder noch Gletscher? sanft aber stetig abwärts

Auch hier schlägt es für uns eine wunderschöne Seite auf. Im Gegensatz zum eher schroffen und felsigen Tal, aus dem wir aufgestiegen sind, öffnet sich hier ein sanftes Hochtal mit zwei schönen Seen. Über diesem Bild zieht ein Adler majestätisch seine Kreise. In der Mulde bis zu uns herauf liegt noch ein Rest Schnee, oder ist es vielleicht der allerletzte Rest des Glacier de la Forcla? denn langsam beginnt sich sein Schmelzwasser den Weg in den zum Teil noch zugefrorenen, kleinen Stausee zu suchen.
Spitz und steil ragt einzig die schroffe Rückseite des Tita Naire über den Seen auf. Die Flanken vom Kamm von dort bis zu uns herüber sind eher wie eine Moräne, feines, herabgerieseltes Geröll, welches sich aber aus der Nähe doch etwas gröber herausstellt, denn wir folgen den Wanderwegzeichen bald durch ein ziemliches Trümmerfeld und hüpfen von Stein zu Stein, während Hans die Direttissima über den Schnee genommen hat. Weiter unten, wo es nicht mehr so steil ist, lassen wir uns dann endlich auch dazu überreden und müssen zugeben, dass es sich auf dem Schnee bei weitem besser marschieren lässt.
Wir befinden uns nun im Eidgenössischen Jagdbanngebiet Haut de Cry und während wir uns bei unserer Mittagsrast am Fuss des Tita Naire etwas umsehen, entdecken wir prompt auf den gegenüberliegenden Felsen wieder ein paar Steinböcke. Eindrücklich erhebt sich die Ostseite des Tita Naire wie eine einzige, grosse, ziemlich flache Platte steil gegen den Himmel, welche beim Zurückschauen fast wie Elfenbein leuchtet.
Wir folgen dem Wässerchen, welches aus dem Lac de la Forcla rinnt im kiesigen Talbödeli, über ein Trümmerfeld von herabgestürzten, schiefrigen Platten des Tita Naire, dann über gelb blühende Matten und später durch wirres Karstgestein bis nach La Chaux, der Alphütte, in welcher man auch übernachten könnte. In der zuerst ausgearbeiteten Variante unserer Tour hätten wir dies auch am ersten Tag gemacht und hatten schon die Reservationen getätigt. Den Knien zuliebe über den Col des Perris Blancs, haben wir die Tour dann aber im Gegenuhrzeigersinn beschlossen und somit reicht es uns heute eigentlich gut bis Derborence. Als Entschädigung für entgangene Geschäfte, kehren wir aber zu einem Glas Most und Caramel- oder Vanille-Törtchen ein. Auch das selbst gemachte Joghurt habe sehr gut geschmeckt. Das Logis hier wäre wohl ein weiteres Mal ziemlich bescheiden gewesen, aber man hätte immerhin Wasser gehabt. Rings um die Hütte weiden die Kühe unter der strengen Obhut von zwei Hunden. Für den Transport von und in die Zivilisation hält man sich hier einen Esel und ein Maultier.

Blick zurück zum Col der Tita Naire der Derbonne entlang zerschmolzener Stein in la Chaux

Bis Derborence, wo das Postauto hält, ist es von hier immer noch eine Stunde, welche wir nun zuversichtlich noch unter die Füsse nehmen. Lotty möchte gerne noch heute heimfahren, es rufen dort Pflichten, deshalb beginnt bereits hier das Abschiednehmen und sie macht sich auf die Socken, begleitet von Pascal, der sie nicht so allein gehen lassen will.
Wir hätten die Beiden auch beauftragen können, für uns auf heute zum Nachtessen eine feine Polenta zu bestellen oder allenfalls Spaghetti, nur um alles in der Welt nicht schon wieder Reis! Also schickt uns Hans mit diesem Auftrag auch voraus, er will es mit Annigna jetzt zum Schluss noch etwas gemütlich nehmen, denn wir haben heute immerhin gute 1500 Meter Höhendifferenz in den Knien.
Etwas müde trotten wir also im Gänselimarsch zeitweise durch Wiesenpfade immer weiter. Es scheint, als ob mein Hintermann mich ungeduldig überholen will. Ein seitlicher Blick lässt abermals einen Schrei von mir von der Felswand widerhallen - ein riesiger brauner Kopf drängt sich an mir vorbei. Es ist das Maultier von der Alphütte, dem es wohl verleidet ist, so langsam hinter mir her zu gehen. Vielleicht wollte es mich auch nur das kleine Stück bis zu seinem Weidezaun begleiten, welchen ich erleichtert hinter mir wieder schliessen kann.
Die Köchin im Refuge in Derborence hat für uns Cordon Bleu vorgesehen, da passt Polenta nicht so gut, aber ihre vorgeschlagenen Spaghetti sind uns ja auch sehr willkommen. Willkommen wäre uns eigentlich auch eine Dusche, aber hier hat es nur ein Lavabo aber immerhin mit Kalt- und Warmwasser, aber eigentlich lockt der See. Badehosen habe ich nicht dabei - unnötiges Gewicht, aber wenn man mit der Unterwäsche baden ginge, wären Leibchen und BH auch schon gewaschen, nötig wäre das ja schon längst. Während wir bei einem erfrischenden Bierchen solchen Gedanken nachhängen, hat Priska dies schon in die Tat umgesetzt.

es gibt Most und Carameltörtchen leb wohl, Lotty das Maultier von der Alp wieder in der Derborence baden, duschen und waschen


Ein Bikini war für sie jedenfalls kein unnötiges Gewicht und begehrlich sehen wir ihr zu, wie sie schon bald die halbe Länge des Sees durchpflügt hat. Pascal, Lisbeth und ich haben uns schnell etwas Trockenes für nachher gefasst und ein günstiger Einstieg ins Wasser ist auch bald gefunden. Das Wasser, das dort gerade in den See fliesst ist eisig kalt, es stammt schliesslich aus dem Gletscher über den wir heute gegangen sind. Zum Schwimmen an der Wasseroberfläche geht es zwar, aber ich bin doch recht bald genug abgekühlt. Trotz allem war der Spass aber ein voller Genuss.

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