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Wiederum erstrahlt uns auch heute ein schöner Morgen. Herbert ereilt sein erstes
Highlight beim Frühstück. In der Schuhgarderobe hält man hier generell
Hauspantoffeln zum allgemeinen Gebrauch bereit und als man gestern nochmals auf die Piste
ging, stellte Herbert seine nun eine Woche mitgeschleppten, neuen Pantoffeln an Stelle
seiner Wanderschuhe ins Regal. Nichts Böses ahnend, schnappte sich der nächste
Gast das schönste Paar und Herbert musste sich mit einem Paar fremden Hausfinken
zufrieden geben. Noch vor dem Frühstück entdeckt er nun die Seinen an fremden
Füssen und unter allgemeinem Gelächter gibt's Schlappenwechsel für beide.
Dann geht's auf zum fröhlichen Wandern, singend in den Morgen noch eh nebenan die
Hähne krähn. Wir finden den Wanderweg, der zuerst auf Teer bis zur Ara
führt. Fahrweg bleibt er, aber immerhin nur gesplittet bis hinunter ins Tobel zum
Glogn oder Glenner. Eine Verkehrsampel regelt hier in einem abgeschiedenen, verlassenen
Waldstück den Gegenverkehr. Jedenfalls schaltet sie sofort auf Grün, sobald wir
uns fragend davor bewegen. Unten führt eine Brücke über den Fluss und auf
der andern Seite geht's wieder bergan und nicht lange geht's bis wir wieder Teer unter
den Füssen spüren und schon bald liegt Surin im Morgenglanz vor uns. Haben wir
nun unten am Fluss die Abzweigung des Wanderwegs verpasst? Nirgends hat man jedoch einen
entsprechenden Wegweiser gesehen. Immer gut nach Wanderzeichen Ausschau haltend
marschieren wir weiter und dort, wo wir eins erspähen, heisst es "Wanderweg wegen
Steinschlaggefahr gesperrt".
Schon bald erreichen wir auf der hiesigen Talseite die Höhe von Lumbrein, welches
sich friedlich gegenüber am sonnenbeschienenen Hang ausbreitet.
In Silgin, einem winzigen Dörfchen mit einer Handvoll Häusern, müssen wir
der reich mit Fresken ausgeschmückten Kapelle unsere Aufwartung machen. Nach dem
Dorf führt uns der Weg endlich durch den Wald und nicht mehr auf Teer, immer fast in
der gleichen Höhe, wie auf der gegenüberliegenden Seite die eher bekannten und
mit dem Postauto erschlossenen Örtchen des Lumnez wie Lumbrein, Vignon oder Vella.
Ein Rastplatz mit Feuerstelle und Sitzgelegenheiten lädt zum Ausruhen ein.
Gestern war wohl "Krawall im Stall" beim Käser, den Hedi in Lumbrein besuchte. Sie
muss siegreich daraus hervorgegangen sein, denn sie bringt aus den Tiefen ihres Rucksacks
ein riesiges Stück wunderbaren Alpkäse ans Tageslicht, welches sie mit den
besten Grüssen vom Choreographen dieses auch in Reinach beliebten Volkstanzes, an
alle verteilt. Es war kein Stein des Anstosses, aber Gewicht in ihrem Rucksack.
Man wird von Schmetterlingen umgaukelt und ein Kaisermantel hat es auf Hans abgesehen. Es
scheint, als ober er Sellerie noch mehr liebt als Käse, denn er weicht nicht mehr
von seiner Seite. Die Gelegenheit mal einen Schmetterling ganz nah und ohne
Flügelschlagen aufs Bild zu bekommen.
Um weiter zu gehen, müssen wir den Falter richtiggehend abschütteln und noch
viele dieser Art umtanzen die Blumenwiesen an unserem Weg. Es ist eine wunderschöne
Gegend, die wir hier durchwandern. Auf den sanften, grünen Hängen liegen
verstreut und träumerisch die Dörfchen in der Mittagssonne und überall,
wie auf die Matten hingesät, all die vielen Heuschober und Ställe.
In Surcasti beginnt wieder die Teerstrasse. Weil die Wiese hier bis ins Dorf abgeemdet
und bereits mit Mist überzettelt ist, nehmen wir die Abkürzung in der
Direttissima. "beim Briefkasten unten rechts" empfiehlt uns ein Bauer
höchstpersönlich, aber als wir uns hier auch wieder in einer zwar nicht
gemisteten Wiese befinden, werden wir von einem andern Dorfbewohner zurückgepfiffen.
‚Der Wanderweg führt klar der Strasse nach - wenn das jeder machen würde!
Das Gras erholt sich nicht mehr'. Er hat uns wohl vorher auf der Mistwiese beobachtet.
Grummelnd nehmen wir das letzte Stück Teerstrasse, welches über eine hohe
Brücke über den Valser Rhein hinüber nach Uors führt, unter die
Füsse. Nein, jetzt wollen wir auch nicht mehr die hundert Meter ins Tobel
hinuntersteigen und nachher auf der andern Seite wieder hinauf, auch wenn es keine
Teerstrasse sein sollte, vielleicht reicht es uns ja aufs Postauto!
Diesen Gefallen macht uns das aber nicht, es sind sicher nur etwa 200 Meter, die uns
gefehlt haben. Es kommt ja in einer halben Stunde bereits das Nächste und diese Zeit
reicht gut für einen Besuch im auch hier reich mit Fresken ausgeschmückten
Kirchlein.
Wir sind auch heute wieder früh dran und unser Ziel liegt ganz zuhinterst im
Valsertal am Zervreila-Stausee. Wir sind ja auch noch nicht müde und der Vorschlag
von Hans wird gerne angenommen, dass wir nur bis Vals mit dem Postauto und von dort mit
der Gondelbahn hinauf nach Gadastatt fahren. Die Gegend ist im Winter begehrtes
Skigebiet, aber im Sommer führt ein angenehmer Wanderweg mehr oder weniger ebenaus
durch ein Hochmoor bis zur Staumauer.
Während wir uns von der Postautohaltestelle in Vals zur Talstation der Gondelbahn
noch ziemlich weit hinten am andern Ende der Ortschaft aufmachen, will Hedi auf der
gegenüberliegenden Seite der Alp Ampervreila einen Besuch abstatten. Der Senn Leo
Tönz ist ebenfalls ein Bekannter aus dem Tanzkreis.
Immer zur vollen Stunde werden ein paar Gondeln hinauf nach Gadastatt losgeschickt.
Dort oben wird erst mal Mittagsrast eingeschoben und im Restaurant gibt's dann noch den
Kaffee für auf den Weg. Sorgfältig wird der gegenüberliegende Hang
gespiegelt und tatsächlich sieht jemand, noch bevor wir losmarschieren, die einsame
Wanderin auf die Alphütte zu marschieren. Hedi hat bereits ihr Ziel erreicht.
Für den Weg, der auf unserer Seite vor uns liegt, braucht man etwa zwei Stunden und
er ist absolut lohnend. Man ist zwar dran, auf der ganzen Länge Abwasserrohre
einzugraben und noch wirken die am Wegrand deponierten Stapel von Plastikrohren eher
störend. Obwohl die Hauptblütezeit der Flora schon vorbei ist, erfreut man sich
trotzdem noch an vielen Blumen am Weg, wie Erika, Hauswurz oder überall die
Prachtnelken, den plätschernden Wasserfällen oder überhaupt an der
lieblichen Landschaft eines wunderbaren Hochmoors.
Die Frage, ob dies nun ein Hochmoor ist, weil es eben fast über der Waldgrenze
liegt, oder warum man es so nennt, hat mich beim Schreiben zum Recherchieren animiert und
ich habe bei Wikipedia folgende Erklärungen gefunden:
"Regenmoore oder eben Hochmoore werden im Gegensatz zu Niedermooren
ausschließlich aus Niederschlägen und durch aus der Luft eingetragene
Mineralsalze versorgt. Sie entstehen, wenn bestimmte Pflanzen, meistens Torfmoose, so in
die Höhe wachsen, dass der von ihnen gebildete Torf nicht mehr vom
mineralstoffreichen Grundwasser, sondern ausschließlich von Regenwasser
genährt wird. Der mooreigene Wasserspiegel in Regenmooren liegt deutlich über
dem Grundwasserspiegel der umgebenden Landschaft. Sie ähneln mit Wasser
vollgesogenen Torfmoosschwämmen, die in der Landschaft liegen und stellen damit
einen speziellen entwicklungsgeschichtlichen Moortyp dar, bei dessen Jahrhunderte bis
Jahrtausende währendem Wachstum Torfmoose als Torfbildner eine entscheidende Rolle
spielen".
Ein Hochmoor heisst also wegen seinem gewachsenen Aufbau so und nicht wegen seiner Lage.
Am gegenüberliegenden Berghang meinen wir, Hedi gesehen zu haben und versuchen mal,
ob aus vereinten Kehlen der Sennenruf bis dort hinüber dringt.
Bald kommt auch schon der Stausee und hinter ihm die zackige Kulisse mit dem
Zervreilahorn und links davon das Güferhorn mit seinem Gletscher ins Blickfeld. Das
Rheinwaldhorn dahinter, hüllt sich in dicke Kumuluswolken.
Noch gute hundert Meter hoch über dem See klebt die kleine, weisse Zervreila-Kapelle
zuäusserst auf einer Felswand und natürlich müssen wir ihr auch unsere
Aufwartung machen. Und natürlich, wenn Glockenstränge in Reichweite sind, muss
Hans das Glöcklein läuten und wenn er schon die Schäflein zusammenruft,
müssen wir nun natürlich auch die Akustik des Kirchleins austesten. Jeder
Pfarrer hätte wohl Freude am Andrang, der hier herrscht. Mit unserer Anwesenheit ist
das Gotteshaus gerammelt voll und es haben nicht mal alle Platz. Das "Dona Nobis Pacem"
tönt jedenfalls wieder ganz versöhnlich.
Nun noch der ein bisschen steile Abstieg hinunter auf die Staumauer und schon bald
können wir bei der untergehenden Sonne im Gartenrestaurant unsere Füsse unter
dem Tisch auskühlen lasen, während sich die Kehle an einem verdienten Bierchen
labt.
Auch Hedi ist nun eingetroffen und sie erzählt uns von Edelweiss, welche sie oben am
Guraletschsee gesehen hat. Sie war also nicht bei jenen drei Wanderern, welche wir mit
unsern Ferngläsern auf dem kürzesten Weg von der Alp hinunter beobachtet haben.
Um diesen See zu sehen, musste sie nach dem Besuch auf der Alp noch weiter auf über
2400 Metern aufsteigen und so hoch oben haben wir nicht nach ihr Ausschau gehalten.
Leo und sein Bruder Alois begleiteten sie bis hinauf zum Ampervreilasee, der bereits 350
Meter höher als die Alp liegt und dies im "Sennentempo", d.h. sie kannten Wege
ausserhalb der markierten Wanderwege und das Tempo liess auch Hedi rote Wangen
kriegen.
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