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Tatsächlich, der erste Blick aus dem Fenster wird von Nebeln verschleiert,
es ist unfreundlich und regnet. Dort oben am Piz Beverin im Nebel herumzuirren
ist nichts! Stattdessen könnten wir heute ja hinunter nach Andeer und der
Rofflaschlucht einen Besuch abstatten. Das Postauto fährt um halb elf Uhr
und die Viertelstunde, welche der Chauffeur in Andeer Pause machen muss, bis er
zur Rofflaschlucht weiterfährt, reicht uns gerade für eine kurze
Stippvisite, um einmal eine Runde durch den Dorfkern zu machen und das
Sgraffiti-Haus zu sehen, das aussieht, als wäre es über und über
mit Tatoos bedeckt.
Zur Rofflaschlucht kommt man nur durch die Wirtsstube des Gasthauses, um einen
Eintritt von Fr. 4.- zu bezahlen und dann zuerst durch zwei museale Räume,
wo einem die Geschichte der Rofflaschlucht nähergebracht wird. Schon seit
vielen Generationen besteht dieses Gasthaus, früher am einzigen Weg, der in
dieser Gegend über die Alpen führte. Mit der Eröffnung der
Gotthardbahn verlor die Familie Christian Pitschen-Melchior ein gesichertes
Einkommen und wanderte nach Amerika aus. Die Gemeinde bezahlte damals den
Auswanderern die Überfahrt. Auf einer Reise kam Christian auch an den
Niagarafall und die Idee, mit einem Wasserfall und Touristen Geld verdienen zu
können, liess ihn nicht mehr los. Als seine Eltern das Gasthaus daheim aus
Altersgründen nicht mehr weiterführen konnten, beschlossen sie, wieder
nach Hause zurückzukehren. Damals führte allerdings noch kein Weg in
die Schlucht und man konnte den Wasserfall nur hören.
Während sieben Wintern war Christian nun damit beschäftigt, von Hand rund 8000 Sprenglöcher in den harten Stein zu bohren und sich einen Weg in die Schlucht zu bahnen. Im Sommer musste er als Landwirt den Lebensunterhalt seiner Familie bestreiten. Nun kamen immer mehr Besucher in die Schlucht und in den Jahren 1950 bis 1970 lief das Geschäft im Gasthaus sehr gut. Dann kam die neue Strasse, die nicht mehr am Haus vorbeiführt…..Er hat gute Arbeit geleistet, denn man kann hoch über dem Wasser in einer Galerie der Felswand entlang in die Schlucht eindringen. Bald sieht man an ihrem Ende den Rofflafall herunterstürzen. Ihn mit dem Niagarafall zu vergleichen scheint mir zwar ein bisschen vermessen, aber immerhin hat Christian die Galerie hinter dem Wasser des Hinterrheins hindurch noch durch einen kleinen Tunnel gebohrt. Am Ende kann man von einer kleinen Plattform aus den Weg durch den schmalen Spalt der Schlucht überblicken. Den wahren Überblick hingegen scheint dieser riesige Wächter zu haben, ein Gesicht aus Stein und Fels mit einer Nase wie Charles De Gaulle und einem Haarschopf aus grünem Efeu und Laub.
Zum Schluss wärmen wir uns in der Gaststube noch mit einer guten
Bündner Gerstensuppe und nehmen dann langsam den Heimweg unter die
Füsse. Gleich nach der Schlucht werden die Wasser des Hinterrheins genutzt
und der Wanderweg führt beim Ausgleichsbecken der Zentrale Bärenburg
der Kraftwerke Hinterrhein durch. Nicht viel später hört man am Hang
Sprengungen und man muss sich nicht wundern, dass wir gerade mitten im Areal des
Steinbruchs Andeer Granit AG landen. Ein steinernes Bänklein in der
Ausstellung kann man sich aussuchen fürs Picknick. Ein gut drei
Quadratmeter grosses Relief im Massstab 1:10000 fasziniert mich und wir
versuchen, uns im Val Schons mal statt auf der Karte, auf dem ausgefrästen
grünschimmernden Andeer-Granit zurecht zu finden.
Das Wetter hält mehr oder weniger dicht bis Andeer. Lisa hat uns die Casa
Storica, welche ein kleines Dorfmuseum beherbergt, empfohlen, aber die
Öffnungszeiten passen nicht. Katrin hat ihr Badezeug mit und will dem
Schamser Heil- und Mineralbad einen Besuch abstatten.
Lykke-Lise und ich machen uns im Fahrplan kundig, denn anders als der Rest der Gruppe, möchten ich lieber meine Dampfwalze noch etwas schonen und um die Höhendifferenz von über 500 Metern zu überwinden, lieber den zwar viel weiteren Weg hoch oben über Lohn, Mathon bis Wergenstein, bequem im Postauto geniessen. Nach einem stärkenden Kaffee machen sich die andern also auf den etwa zweieinhalbstündigen Weg über Casti und die Direttissima hinauf zu dem auf 1487 m gelegenen Wergenstein.
Heute hat uns Lisa Pizzocheri und Saltimbocca gemacht und einen Pannacotta-Nachtisch und auch heute hat sie für die, die nicht abgeneigt sind, wiederum was im kleinen Gläschen zum Nachfeiern.
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